: Weltmännles Egotrip
Bundestrainer Jürgen Klinsmann scheint den reformträgen Deutschen Fußball-Bund tatsächlichin Bewegung gebracht zu haben. Aber kann der Schwabe den deutschen Fußball wirklich retten?
AUS FRANKFURT MARKUS VÖLKER
Die Arbeit an der deutschen Fußballnationalmannschaft wird oft als Agenda 2006 bezeichnet, in Anlehnung an die Agenda 2010, mit der Rot-Grün das Land überzogen hat. Beim Deutschen Fußball-Bund ist die Namensähnlichkeit derzeit eher unerwünscht, denn mit der Bundesregierung geht es bekanntlich zu Ende. Um den Fußball steht es nicht so schlecht. Er hat eine Zukunft, die auf ein Jahr berechenbar ist. Agenda hin oder her, was verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung? Welche Reform hat Jürgen Klinsmann, der Bundestrainer, eingeleitet bzw. hat er überhaupt?
Bevor Klinsmann sein Kürzel unter den Vertrag mit dem DFB setzte, hat er sich mit Kompetenzen ausstatten lassen, die einzufordern Rudi Völler nicht die Chuzpe hatte. Völler, Klinsmanns Vorgänger, hat weniger konzeptionell als vielmehr intuitiv gearbeitet und entschieden. Er ist davor zurückgeschreckt, es sich mit Funktionären zu verscherzen, und hat, um des Friedens willen, dort ein paar Hände geschüttelt und hier Notwendiges auf die lange Bank geschoben. Mit Völlers Rücktritt ist auch der Kompromiss gegangen. Völlers Antagonist formt sich die Nationalmannschaft wie deren Umfeld nach seinen Vorstellungen – und diese lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Ein Staat im Staate des reformträgen DFB ist durch Klinsmans Gestaltungswillen entstanden.
Auch Völler hat wie einst König Pygmalion eine marmorne Statue angebetet, auf dass sie sich aus ihrer Starre löse, aber wo Völler bat, befiehlt Klinsmann; die Wandlung hat erst unter dem Transatlantikflieger stattgefunden. Der DFB bewegt sich – im Rahmen seiner Möglichkeiten. Aber heißt das auch, dass Klinsmann den deutschen Fußball retten kann?
Klinsmanns Reform ist auf Schwäbisch verfasst: penibel, auf Gewinn ausgerichtet, und durchaus egozentrisch im Anspruch. Klinsmanns Imagekampagne trägt indessen amerikanische Züge. Das Weltmännle will seinen Egotrip, an dem der Inner Circle der Nationalelf gern teilnehmen darf, gut verkaufen. Dafür sind ihm viele Mittel recht. Er organisiert beispielsweise eine Pressekonferenz, die sich vom Schema des Frontalunterrichts löst. Nationalspieler sitzen plötzlich an großen, runden Tischen. Die Journalisten können von Spieler zu Spieler gehen und ihre Fragen stellen. Die Symbolik ist eindeutig: Locker geht es zu auf dem Planeten Klinsi, offen und transparent. Die Welt staunt.
Die Inszenierung läuft aber nur so lange, wie Klinsmann will. Wenn er meint, er müsse die Spieler abschotten, weil es ihnen gut tut, dann kann er mir nichts dir nichts für eine hermetische Abriegelung sorgen, die es in sich hat, für eine Isolation der Nationalkicker, die während des Confed-Cups von den Fans heftig beklagt wird.
Die Kampagne der Klinsmann’schen Combo wird stets und ständig musikalisch untermalt: Es ist das Loblied auf Distanz und Unabhängigkeit. Bestand früher ein heißer Draht zum Boulevard, so wird unter Klinsmann auch für das Haus Springer die Information verknappt. Man will sich nicht ausliefern, nicht in die Fänge des Populären respektive Populismus begeben. Klinsmann, ein Mann mit Köpfchen, hat sich die aufgeklärte Presse als Verkündigungsmedium erwählt, auch hier zeigt er sein Profil. Die derart vergrätzte Bild-Zeitung wartet nur darauf, ihm eins auszuwischen.
„Ist Klinsi zu dünnhäutig?“, fühlte das Blatt dieser Tage vor. Die Diskussion um seinen Wohnort kreiste auch nicht unbedingt um rationale Argumente, und nun, da es langsam ernst wird im Land des designierten Weltmeisters – selbstverständlich ein Edikt Klinsmanns – kommen beim Bundestrainer Zweifel auf, ob die Distanz auf Dauer zu halten ist. „Querfeuer“ hat er bereits ausgemacht, auch erzeuge seine Vorgehensweise „Neid“, erklärte er. Doch „Klinsi“ ist erfolgsfixiert genug, um das Querfeuer der feindlichen Artillerie zu überhören. Die Agenten 2006 haben noch nicht abgewirtschaftet.